Kuno Roth
Erstellt am: November 14, 2019 Kategorie: Carte blanche Von zoe Keine Kommentare
Carte blanche von KUNO ROTH
KUNO ROTH KOSTPROBEN AUS DEM MANUSSKRIPT ‹SEELENSEE›
GEDICHTE ZU INNEREN UND ÄUSSEREN LANDSCHAFTEN
seelensee
ach landschaft
heilst mich sanft
umschliessend
ergreifst mich
ohne dass
ich’s spüre
beruhigst
so sehr dass
ich’s fühle
glättest still
die wellen
meines seelensees
Port
Kommt die Flut,
rollen die Kiesel uferwärts,
rollen zurück, lässt die Welle wieder locker,
reiben sich.
Glatt geworden vom vielen Rollen.
Die nächste Welle rollt sie abermals hinauf.
Das Meer als Sisyphus?
Nein, nur Meer.
Gelassen
Dinge ins Rollen bringen.
Dieses Gedicht hat den Thurgauer Künstler Markus Reich zu dieser künstlerischen Umsetzung inspiriert, als er am selben Ort in Irland als Artist-in-residence weilte.
Das Meer atmet mit
jeder Welle
ein und aus.
Wie der Wind,
wenn er
tost und zischt.
Ein Atmen.
Aus
Dass auch
du
das Schlendern
auf dem Pfad überm Meer
als zauberhaft empfindest,
macht
die Wehmut
aus meinem Haus
spazieren.
Birkenzweige.
Von der Sonne an die Wand geworfen.
Blätterschatten tanzen,
die Zweige wiegen
im Spiel des Windes.
Das Schattenspiel
würde von einer Aquarellistin
wie ein Echoraum ohne Ton gemalt,
als gebäre die Stille eine Musik
für die Augen.
Weitere Textproben:
KUNO ROTH KOSTPROBEN AUS DEM MANUSSKRIPT ‹KL!MA VISTA›
DIE SCHNEEFALLGRENZE STEIGT – GEDICHTE UND APHORISMEN
1. Kraft der Landschaft
#
Wärst du hier
würdest du sehen,
was ich sehe,
würdest den Geiern zuschauen,
würdest hören,
was ich höre,
würdest dem Bach lauschen,
würdest dich wundern,
wie ich mich wundere.
Vom Fuchs überrascht würdest auch du.
Und mit mir
taumeln.
#
Der Wind spielt mit Birken Klavier.
Und auf der Bank das Ehepaar,
es lauscht wie jedes Jahr
seiner Birken-Sonate hier.
2. Gletscherzungen-Variationen
Lag wie eine weisse Stola
cool im chill-out
auf den Schultern der Berge.
Als wäre durch sie
eine himmlische Botschaft
zu Tal getragen worden.
Felsrücken und Hochtal waren ihr Bett
die Hänge ihre Backen
Niederschläge ihre Nahrung.
Königlich langsam,
majestätisch weit.
Fürstlich für den Tourismus.
Sie liess sich widerstandslos besteigen,
nahm gelassen Eishaken
in ihrem Körper auf.
Schnee trug andauernd
zum Wachstum bei.
Schnee von gestern.
Schmolz nicht aus Liebe dahin.
Ein Mangel an ihr
war der Grund.
Jünger als das Matterhorn,
älter als alle Schlote,
die ihr zur Last geworden.
Das eisige Schweigen der Wirtschaft
setzte ihr
am meisten zu.
Dass die innige Umarmung
auf einmal aufhörte,
brachte Felsbrocken ins Taumeln.
Rieb sich feucht an Felsen,
küsste kühl was auf ihrem Weg lag.
Liegt schrumpfend im Gaumen.
Leckt nicht mehr an Landschaftslippen,
kitzelt an Talvorsprüngen ein Horn
nicht mehr.
Über ihre zerfliessende Zukunft
wurde an Konferenzen viel gesprochen.
Doch mit gespaltener Zunge.
Lag es in ihrer Natur,
dass sie beim schleichenden Rückzug
nicht ein einziges Mal spie?
Früher hiess es bei Fieber
‹Zunge herausstrecken!›.
Beim heutigen Fieber zieht sie zurück.
Als ob der Berg
sie uns lange Zeit
hätte herausstrecken wollen.
Anhand von Fotos
erklären Grosseltern Enkeln,
warum die Felsen so glatt sind.
Kalberte krachend,
brüllte wie ein Esel nur länger,
der Rückzug aber geschah schleichend.
3. Klima Vista
Arche 2.0
#
Noah
lädt die Arche
mit einem Gletscher,
etwas Permafrost,
Eis von beiden Polen,
einer Insel und
mit einem Küstengebiet.
Einmal unterwegs
will er sich
im Solitärspiel üben.
#
Litte jedes Land unter jenem Anteil an der Klimakrise,
den es verursacht,
würde sich die Migration umkehren.
4. Kontexte
Gleichzeitigkeiten
#
Sie hungern in Dafur, sagt sie hätten sie gesagt,
nimm doch bitte noch etwas vom Risotto,
es passt gut zum zarten Saltimbocca, nun hat man
den Nahrungsmittelkonvoi gestoppt, und hier
hat es auch noch etwas Salbeisauce, sie hungern
in Dafur zu Tode und die Welt schaut zu,
hier nimm noch einen Schluck Wein, Hoffnung
gibt es eigentlich kaum mehr, Tausende verenden
und Afrika ist bald hier.
#
Beim Ordnen
des Strandgutes
wurden wir plötzlich gewahr,
dass das Meer
aufgehört hatte,
Wellen zu schlagen.
#
Zeitdruck baut Mauern, zuhören Brücken.
5. Besinnlich Nachdenkliches
Wendeplatz
#
Ver
An
Ein
Ab
Um
Hin
Zu
wenden,
bitte.
#
Wer keine Nähe findet sucht das Weite.
#
Die Sehnsucht nach Glück
versperrt die Sicht auf die Zufriedenheit,
die allein schon glücklich machen würde.
Hier ein Blick in das literatur blatt.ch
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