Andreas Bruderer

Carte Blanche 2013/04 von Andreas Bruderer, Zürich
© 2013 by Andreas Bruderer andreas.bruderer@zh.ref.ch

Edvard Munch

du bist mir weggenommen

geliebte

für einen augenblick nur

bist du hineingegangen

ins bildlose

und während ich dich suche

füllt sich mein herz

 

 

verliebt

verliebt in die leere zwischen den wörtern

zeichne ich meine sprachbäume

in den himmel

 

 

noch nie

noch nie

bin ich diesen weg gegangen

jeder schritt

eine entdeckung

jeder blick

ein blick ins unbekannte

 

 

nur ohne mich

wenn meine spur endet

und ich weitergehe

ohne dich

ins wortlose

dann wird alles sein wie bisher

der regen

der sonnenbeschienene wald

das buch auf dem tisch

ein wenig tee

alles wie bisher

nur ohne mich

 

 

zu umkreisen

zu umkreisen die leere

die zwischen den fingern hängen bleibt

ihr leuchten

erhellt die nacht

 

 

eingekreist

eingekreist im wortlosen

rieselt ein wenig sprachzeit

zwischen perlenden gezeiten

in meine geöffnete hand

 

 

gefunden

gefunden

zwischen den zeilen

nebelverhangen

ein wenig gold

 

 

wenn ich weggegangen bin

wenn ich weggegangen bin

wird die tür offen bleiben

kein engel

kein jenseitslicht

kein gott

der mich in seinen händen hält

nur die geöffnete tür

 

 

ein geruch wie von mandeln

den stein zu finden

bin ich aufgebrochen

damals ein kind

spielte am bach mit den mandeln

voll süsse

und drinnen das auge

und drinnen die flut

 

weiss war die zeit

ein eckhaus

mit vater und mutter

ein singen am morgen

im küchenlaub

 

weiss war die zeit

im gegenwind der geschwister

kalt und manchmal

mit blumen durchsetzt

 

doch der stein

doch das singen

moosig hast du gesagt

ein geruch wie von mandeln

 

 

 

wir gehen auf gezeichneten wegen ins unbekannte wandern zwischen den welten von vergangenheit zu vergangenheit und dazwischen im sekundentakt die gegenwart seit langem schon aufgebrochen mit wörtern zu spielen zeichen des lebens gefunden zwischen den steinen da wo der schnee liegt und manchmal ein wenig grün mein bruder gestorben meine hand leer ich halte sie hin unter den regenbogen aufzufangen das lebenselixier weiterzugehen auf dem weg für eine weile nur innehalten und mich vergewissern dass ich da bin in dieser zeit an diesem ort nun da die sonne ins zimmer scheint ich öffne den vorhang ich sehe durchs fenster ins blau ich lebe was übrig bleibt wenn mein leben abbricht und ich ankomme am ende meiner füllezeit ein letztes einatmen ein ausatmen ins licht während meine tränen fliessen öffnet sich mein herz ins uferlose wenn er kommt der augenblick der alles leert und ich aufbreche im loslassen ohne dich ohne mich wenn er kommt der augenblick wenn er kommt stumm dein blick ein kurzes innehalten ein kurzes erkennen ein weitergehen ich denke an dich bruder sehe den schmerz in deiner zeit halte fuer einen augenblick nur den atem an atemlos finde dich in meiner gedankenleere dein gesicht unsere gemeinsame vergangenheit damals im sandspiel vorm haus gartenleer gartenfremd du bist den weg gegangen vor mir vor uns im dickicht unserer eltern klarheit zu finden ein wenig vertrauen zu leeren den korb gefüllt bis zum rand den krug das wasser des lebens quellwasser brunnenwasser du ältester gingst eine weile neben mir in dieser verlorenen zeit ich denke an dich bruder ich öffne die tür. ab 2012

 

 

meine worte

 meine worte

sind schwer geworden

ich trage sie mit mir

in dieser unruhigen zeit

sie liegen zu lassen

auf steinigem weg

sie einzufügen ins haus

sie wegzugeben

abends

wenn es dämmert

und morgens

wenn der himmel klart

sie aufzuheben

in zeiten der angst

in zeiten der hoffnung

ich trage sie mit mir

meine worte 

sind schwer geworden

 

 

stumm dein blick

 stumm dein blick

ein kurzes innehalten

ein kurzes erkennen

ein weitergehen

 

 

übrig geblieben

übrig geblieben die sehnsucht

zu finden im dunkeln gehäuse

zwischen den zeilenabständen

nachts

und vielleicht mittags

ausgelegt in der sonnenhelle

begutachtet von den vorbeigehenden

eine handvoll glück

 

 

ich zeichne

ich zeichne dein bild

geliebte 

in den sand

 

ich zeichne dein bild

geliebte

ins wasser

das nach salz schmeckt

und vergessen

 

ich zeichne 

und zeichne

 

ich zeichne dein bild

 

 

 

weit mehr bist du

weit mehr bist du

ewiger

weit mehr als meiner gedanken klage

weit mehr als meiner hoffnung sehnsüchte

weit mehr als meines schweigens innenraum

 

weit mehr bist du gott

als die zeit die mir gegeben ist

öffne mein herz

dich zu empfangen

 

 

 

du schreist gott

du schreist gott

und wir hören dich nicht

du legst deine finger

auf unsere wunden stellen

und wir fahren weiter

so wie bisher

du zeigst uns den weg

und wir verlassen uns

auf unsere geschlossenen augen

du gibst uns die weisung ins herz

und wir hören sie nicht

im lärm der gedanken

 

öffne uns die ohren

öffne uns die augen

öffne uns das herz

 

 

 

gegengedanken

auf die fische hören

die nachts

mit offenen mündern

in den wolken jagen

in den fischteichen

dem bellen der hunde nachspüren

auf den storchennestern

mit brüllenden löwen kämpfen

 

 

 

wortlos

wortlos

singe ich mich hinein

wortlos

gehe ich weiter

in der stille

wartet die flut

 

 

 

geflüchtet

geflüchtet in die magie der worte

bin ich aufgebrochen

jahrzehnt um jahrzehnt

zu benennen 

das unbenennbare

auszusprechen

das unaussprechbare

zu finden

das unauffindbare

 

 

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