Erwin Messmer
Erstellt am: Mai 23, 2020 Kategorie: Rezension Von zoe Keine Kommentare
Erwin Messmer ‹Und wenn mein Teppich plötzlich flöge›
Gedichte von unterwegs
Der neue Lyrikband von Erwin Messmer liegt gut in der Hand und er nimmt einen mit auf die Reise mit dem fliegenden Teppich. Es ist eine schöne Idee, den ganzen Band unter das Motto des Unterwegsseins zu stellen. Erwin Messmer liebt es zu reisen und so neue Erfahrungen zu machen. Die flirrenden Bilder von Christa Schmutz beschleunigen die Fahrt oder laden ein zum bewegten Innehalten. Die auf Öl gemalten Vexierbilder spiegeln unser schnelles Leben. Das passt gut zusammen.
Und Erwin Messmer ist in guter Gesellschaft bei Mäd Book Lyrik. Der engagierte Basler Galerist Franz Mäder hat schon eine Reihe solcher Bücher herausgegeben u. a von Werner Lutz oder Leonor Gnos. Weitere sind angekündigt. In dieser Art könnte man sich eine ganze Bibliothek voll Lyrik vorstellen. Man blättert darin, entdeckt Neues. Leichtigkeit und Schwere liegen gut nebeneinander in der frischen Aufmachung.
Es ist nicht nur ein Reisetagebuch, wie es sie schon dutzendfach gibt: manchmal lapidar bis lakonisch, manchmal die Situation genau auslotend, manchmal hintersinnig bis rätselhaft. Philosophisches und Alltägliches kommt uns entgegen. Goethes Weimar steht neben der Kuh von Gampelen, über die sich ein Kind wundert.
Der Dichter schreibt im Stadtbus, im Zug oder am Nebentisch in der Beiz. Seine Zigarre dampft. Er ist weit und nah gereist: er ist in Italien, Venedig, Paris, Zürich HB, Milano Centrale, Weimar, Wichtrach, Alpstein oder Wald/AR unterwegs (alles Gedichttitel). Es sind viele Orte in Europa, die er auf seinem Teppich erreicht. Allerdings nicht immer mit Rollkoffer, aber öfter ein Moretti geniessend.
Welthaltig sind sie, die Gedichte, – im Hirschen klingelt das Telefon, – Zahnschmerz im Schloss Tarasp, – Polyphonie in der Basilika von Bologna. Es lohnt sich hineinzuhören in die Texte und in der gut gearbeiteten Sprache fühlt man sich gern zuhause. Besonders wenn sie direkt und ohne grosse Schnörkel daherkommt wie etwa in ‹Weimar an› oder in den folgenden Zeilen S. 82: «Getuschel und Gewisper / im jungen Buchenlaub / Geheime Wollust / wenn der Landregen / vom zarten Grün / aus der Reserve gelockt / plötzlich zudringlicher wird».
Frische zeichnet die Texte aus. Etwas Ironie und Leichtigkeit schwingt mit. Ein Bonvivant ist unterwegs.
Fazit: Gelungene Lyrik, schön rechtsbündig gesetzt, Erwin Messmers reichhaltigstes Buch. Deshalb empfiehlt man es sehr gerne als Lektüre, die einen weiterbringt und auf Reisen mitnimmt, die in keinem Tourismusbüro zu haben sind.
Fahrplanwechsel
werde auch künftig
bei dir ankommen
doch früher bisher
mein Zug fährt
schneller na bitte
Hans Gysi
Erwin Messmer ‹Und wenn mein Teppich pötzlich flöge› Gedichte von unterwegs
Bilder Christa Schmutz; Mäd Book Lyrik Vier, Basel 2020
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