Freiheit

 .ist das einzige, was zählt- sang ein deutscher Rockpoet 1989. Er wäre im großen Chorus mit Herrn Schiller vereint (zwar nicht unbedingt in seiner sinfonitesimalen ‹Ode an die Freude›, aber immerhin).
Den großen Freiheitsdichter interessierte unnachahmlich dieser philosophische Begriff und das ästhetisch-künstlerische Dilemma, welches sich daraus ergibt —  als Ontologe und Poet. Sah Schiller noch den scheinbar  antagonistischen Widerspruch zwischen Kultur und Natur als eine mögliche Rückbesinnungschance eben durch die Kultur zur Natur und als hehres Ideal, so kann in der Moderne und ihren Post-Ausläufern davon keine Rede (und Sprache) mehr sein. Herrn Freud und Freunden sowie medialer Virtualität sei (Un)Dank!

Vernunft, Freiheit und Autonomie als Garanten progressiver, humaner  Zivilisation und Entwicklung stellten für Schiller noch einerseits die (schmerzliche und wieder zu überwindende) Entfernung zur Natur da. Andererseits sah er im Kontrast naiver Dichtung (mit der Kunst als fein-expressionistischem Kulturprozess) zu sentimentaler, reflektierter (modernerer) Poesie einen wegweisenden markanten Unterschied. Naiv ist das Alte, das Naturverwobene und -durchtränkte. Durch die Freiheit, in der eben auch eine Entfernung zur Natur imaginiert wird und/oder sie beschreibt, begibt sich der Dichter auf die sentimentale Suche nach ihr, der blauen Blume, dem verlorenen Ideal.

In der Subjektivierung des Menschen, seiner bewussten Autonomie entfernt er sich zusehends von dem, was kreatürlich und reflexionslos in der Natur vor sich geht: womit die (sehnsüchtige) Elegie als Dicht- und Daseinsform in Schiller-nder Lockenpracht nur noch angebracht…

Wer (das erste Mal) Ich (sich) sagt, ist schon nicht (mehr)frei. 

Das zweite Geschirr und Zaumzeug ist dann die erlernte und be-/er-/ver-griffene- (er) greifende Sprache, ihr Determinismus und mediales (Nicht)Verstehen. Gefangene, Angekettete der wörtlichen Rede, des Hiatus der Einsamkeit, des Unverständnisses in der Subjektivität.

Und des Versuchs, im Sprechen
(manchmal auch in jenseitigem Ausdruck- Hamlet: Der Rest ist Schweigen oder
im Wittgensteinschen Sinn: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen)
mit dem anderen Subjekt,
mit seiner oder ‹der› Welt zu verschmelzen.

(Nun sieh, ach die Freiheit, das ewiggrüne Unkraut dringt durch alle Ritzen!)

Aber das lyrische Ich ist doch frei (ist es das?) oder versucht diese maximale Freiheit der Sprache abzutrotzen (oder wie Bert Papenfuß meint, sie wird sich rausgenommen). Was der Dichter nicht ist und nie wird: frei?

Und wir wissen – absolute Freiheit ist im status quo unserer Existenz, unserer kulturgeschichtlichen Determination nicht möglich.
Freiheit immer von und zu welchem Zweck…
Relativität der Kultur und Gesellschaft…

Gerade Lyrik kann das Gehege der/einer  Freiheit recht groß umzäunen; immer aber droht der Streichelzoo der Poesie…

Weil Sprache zu sich selbst finden kann —
in den verschiedenen Formen und
Gebilden der Lyrik: muss,
ist die Pflege des Geheges
die verwegene Aufgabe ihres Wärters, und wird
in dem Radius ihrer Interpretation(en),
den er abschreitet,
noch weiter.

Sind Fussballer frei? Der Leser ist es, denn er  bekommt in der Verdichtung enigmatischer, polymorpher und intertextueller Struktur ein Spielfeld der bedeutungshoheitlichen Ballberührungen, die kein dribbelnder Profifußballer sich erträumen kann.

Nicht Beliebigkeit, aber subjektive Autonomie und freiheitliche Selbstbestimmung eines Sprachpuzzles, welches den Rezipienten zum Werkzeug seines Denkens, Verstehens und Deutens werden lässt.

Wie hat die große Dichterin Hilde Domin so simpel und doch poetisch aufgeladen sich erklärt:
‹Freiheit Wort / das ich aufrauen will›

Lasst Dichter und Leser als Schmirgelpapier sich dafür berufen fühlen!  JW

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