Oral poetry

Die Wörter kleben nicht am Papier, und nur manchmal am Gaumen. Meist platzen sie an Lippen, an Zähnen, es flattert das Gaumensegel, es wölbt sich die Zunge an den Gaumen. Durch Lücken, Engen, Höhlen dringen die Wörter heraus aus dem Mund.

Alles ist jetzt, alles ist mündlich. Und was einer erzählt, formt und singt, lässt sich weiter singen, formen und ‹brichten›. Der Faden wird erst dünner, durchscheinend, bis er dann nach und nach verstärkt und wieder verstärkt wird. Er führt zwar nicht aus dem Labyrinth, aber wohl hinein.

Während zwei Millionen Jahren bestand Poesie, wenn man dem ‹gewandten Menschen› (homo habilis) schon eine solche urmenschliche Fähigkeit zubilligen will, ausschliesslich zwischen Menschen, unarchivierbar, einmalig in jedem Akt. Seit dem Eintritt des Menschen in die Geschichte, mit der Entstehung der Schrift, begann eine Entwicklung, die bis zur Vervielfältigung und Vermehrung der sich selbst gleich bleibenden Geschichten oder Gedichte und zu einer gewissen Uniformität  und Typisierung in Inhalt und Behandlung des Wortmaterials geführt hat. Jüngste Entwicklungen wie die Slam-Poetry versuchen einen Ausbruch aus der papierenen Festlegung der Gedicht- und Geschichtgestalt – in Richtung hin auf eine Befreiung des Worts und Stoffs durch seine Mündlichkeit, jedoch ohne das Wagnis des Rap-Battles auf sich zu nehmen, das pure Improvisation sein kann.  OF

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