Adèle Lukácsi Sonare

Aphoristisch-lyrische Lebenswohnung

Adèle Lukácsi ‹Sonare, mein Lied›

Lyrikband, Zeichnungen von Madeleine Felber
100 Seiten, € 9.30, CHF 10
ISBN 478-3-8280-3394-8, Frieling Verlag, Berlin

Von August Guido Holstein
aus der ZSV-Zeitschrift WORT, NR. 51

Ein Lyrikband im Zusammenhang mit Wort und Gesang? Dies wäre aus der Verbindung Sängerin/Lyrikerin gegeben. Der Titel lässt dies vermuten: ‹Sonare, mein Lied›, von Adèle Lukácsi, ergänzt mit Zeichnungen von Madeleine Felber, beide aus dem Raum Schaffhausen. Und die Autorin setzt Zeilen von Marie von Ebner-Eschenbach an den Beginn ihres Lyrikbands, nach einem Geleitwort von Mario Andreotti: ‹Ein kleines Lied, wie gehts nur an,/ dass man so lieb es haben kann.› Eine Liebe für Klang, Wohllaut, Seele darin.

Ein paar Worte einander gegenüber gestellt, und schon entsteht Raum: Ackerland – Oasen – Träume und gute Gedanken, welche Wärme und Licht verbreiten. Der Beginn ihres Poesie-Werks also mit aphoristischen Chiffren. ‹Wie Triebsand bin ich/ hingefegt über Dünen/ im Lied der Winde.› Wandern, suchen, die Blicke schärfen. Griffe in den Wortschatz und gleich die Fragen: Wie stellen sich Worte zum Leben? Seele in der Stimme? Innehalten. Kurzverse, dann länger werdend. Für die Natur, das Herz.

Was ist Liebe? Für eine Antwort darauf braucht es mehr Worte. Über ‹der Träume Glück›, im ‹Herzensgrund›, ‹Träumt es noch?›

Dann die Hinwendung zu einem Wort im Gedicht. Worte mit ih­rem Umfeld, ausgewählt nach Gewichtigkeit: Wahrheit, Vertrauen, Gelassenheit, Hoffnung, aber auch Gesicht, Kunst, Saat, Nacht. Das Leben eine Baustelle. Was bauen wir ein? In der Mitte des Bändchens eine Art Neuanfang mit wieder kurzen Zeilen. Das Thema ‹Wort› durchgehend. ‹In Stunden tiefer Traurigkeit/ mag das Wort nicht reden – es fühlt.›

Vergänglichkeit, Tod, die ewigmenschlichen Themen in der Lyrik. Aber die Autorin bietet auch manchen Bezug zu unserer heutigen Zeit, teils mit neuen Formulierungen. ‹Leiden wutbürgerlich still›.

Denkvorgänge, vielleicht mehr Gedankenlyrik als hier erwartet. Heute noch am romantischen Liedgut vorwärtsdichten? Wohl kaum. Das Stichwort ‹Alterslyrik› darf hier auftauchen. Etwa beim Bild: ‹Alter, knorriger Baum -/ deine Äste neigen sich den Wurzeln zu.› Oder geht es einfach um Lebensbesinnung? Eigentlich eine Basis von allem literarischen Schaffen. ‹Im Herbst der Tage/ verklären sich die Dinge/ ruhend im Nebel.›

Gegen Ende des Bandes auch die Musik. Aber hier verweigert sich das Wort; es geht um ein wortfreies Verstehen in der Sphäre der Töne. ‹Sonare› im Buchtitel, ‹ça sonne› auf Französisch, im gedichtsleisen Ton und Klang. Ein Gedicht über, wenn einer, eine singt. Warum? Die Gründe können sehr verschieden sein. Vielleicht aus Glück oder im Leid, in der Einsamkeit, hoffend …

Dabei stellt sich wie bereits angesprochen, in der Mitte dieses Bandes die Frage, ob eventuell hier das aphoristisch-gedankliche Moment stärker zu gewichten wäre als das lyrische. Die sogenannten Lebensweisheiten, oft wie die Wohnungseinrichtung einer Existenz. Worin man sich wohl fühlen können sollte trotz allem. ‹Dass man so lieb es haben kann …›.

Doch Poetisches ist ja auch präsent, zum Beispiel die ‹Eisblumenfensterzeit› von der Kindheit. Oder beim Bild zum Vertrauen: ‹Die kleine Hand ängstlich nach der grossen greift.› Der Schluss: ‹Leben und Lieben sind eins/ im Lieben leb’ ich.› Im Französischen der Titel ‹les confessions de …›. Wäre dieser Titel auch hier richtig gesetzt? Worte, gedankenreich. Gedanken und Klang. Wortklang, Gedankenklang. Dazu die Überraschungen durch den Zeichenstift der Madeleine Felber, sinnig-fein, skizzierend und andeutend, mit Musse, Muse und Verweilen. Das wünscht die Autorin Adèle Lukácsi wohl auch für die Lesenden in ihrem Band ‹Sonare – mein Lied›. Ein Lyrikband mit Wort und Musik, Gesang? – Doch ja. Präsent!

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