Tobias Ibele

CARTE BLANCHE Tobias Ibele |

Serac //

Seracs über dir / Kreuzen hinter dir / Deine Spur / Ein Faden nur / Zwischen dir und mir / Und zerschnitten nun / Von der Eistrümmerschnurl //

Carte blanche 2023/2 | © 2023 bei Tobias Ibele aus Ennenda GL|  

‹CARTE BLANCHE› ist ein Angebot von PRO LYRICA. Hier stellen Lyrik-Autorinnen und Lyrik-Autoren ihre Arbeiten dauerhaft vor. Sie möchten hier publizieren? Senden sie ihre Anfrage inklusive einer Auswahl von 6–8 Gedichten an: carteblanche@prolyrica.ch

Der Pfiff der Dohle

Der Pfiff der Dohle
Hallt im Felsendach
Ein schwarzer Stein
Schoss durch die Luft
Die hinter mir war
In die ich fiel
Mit geschlossenen Lidern
Und das Seil mich hielt

Der Fels war warm
Berührte ihn kaum
Stieg bis zum Schrei
In schwerelosem Traum
Versuche es wieder
Auch der Stein unter mir
Öffnete sein Gefieder

Wolf

Der Mond beleuchtet das Bühnenbild
Den Raupfad im Schnee, Wolkenumhüllt
Die Szenerie ist wild

Ich steh im Schatten der Tälerwelt
Umgeben von Pfützen der Regenzeit
Die Bühne der Träume ist weit

Da blitzt ein Auge in der Dunkelheit
Wer scheut wie ich die Tageszeit
Abseits der Wege ist der Wolf mein Freund

Tisch aus Eis

Tödi,
weiss
Tisch
Mit einem Tischtuch aus Eis

Öde,
allein
Amboss
Mit einer Fläche aus Stein

Sturm,
fegt
unsichtbare Kraft
die einen Luftschmied trägt

Regen

Ich mag den Regen
Wenn er auf meinen Schirm
Aus Waldwolkenwänden
Durchs Blätterdach fällt
Wenn er vor unserem Nest
Weich und warm
Draussen im dunklen Raum
Mich in deinem Arm
Rauschend umfängt
In meinem Traum

Ich mag ihn auch
Wenn er tagelang fällt
In Bächen von Dächern giesst
Mir eiskalt an den Schenkeln klebt
Ich vermiss ihn
Wenn der Staub der Strassen sich auf die Gräser legt
Weil er wochenlang fehlt.

Wasser

Wasser
Von gebeugten Halmen fällt
Sickert, strömt,
Alle Mulden füllt
Regen durch die Dunkelheit

Mein Lampenlicht
Im Nebel bricht
Mein Strahl zur engen Aura streut
Stecknadelloch
In der Unendlichkeit

Jungschnee

Auf Herbstgras gefroren
In Felsspalten geweht
Dünn aber entschieden
Über die Höhen der Berge gelegt
Warst Staub um meine Schuhe
Als ich durch die Stille schritt
Und eh ich stand und lauschte
Auch eine geworfene Handvoll
Sterne im Licht

Ich bin ein Vogel

Ich bin ein Vogel
Der in Mitteleuropa lebt
Ich fühl mich wohl im Geäst der Bäume
Wurzeln schlage ich keine

Meine Tagesabläufe
Meine Liniennetzpläne
Die verzweigten Räume
Sind mir vertraute Wege

Reisst Wind mich fort
Aus einer Krone Peripherie
Wechsel ich mit der Zeit den Ort
Zu Fall komm ich nie

Mich birgt ein nächstes Geäst
Da im Zug meines geflügelten Lebens
Heimat etwas ist
Das stetig wächst

Leben ist Nebel

Gewundener Pfad
Tropfen von Ästen
Schnee auf den Blättern
Wohin wandern wir

Umgeben uns Berge
Schluchten oder Weiten
Was wird am Ende des Tages sein
Durch den wir schreiten

Leben ist Nebel
Licht im Dunst
Geheimnis voll Rätsel
Plötzlich Himmelfeuerbrunst

Luftströmende Wesen
In Wellen in Winden
Die überallhin ziehen
Im Strömen sich finden

Wir

Was bleibt von den Welten
– Staub, in ein Meer gespült

Wie ändern die Zeiten
– Welt folgt auf Welten
– Sand, in ein Meer gespült

Wie viele Welten
In wie viele Meere gespült
Wie viele Schichten
Felsen, Grate, Geschichten

Stein
Träger der Schritte
Feste der Wand
Von Gräsern und Bäumen
Flechtend umschlungen
Geliebt von der kletternden
Tastend vertrauenden Hand

Was sind Berge anderes
Als aufgeschlagene Bücher
Steigend liest man
Von verstrichenen Zeiten
Über steinerne Stufen
Endlose Seiten

Und wir
Sind wir nur Staub
Dereinst ins Meer gespült
Oder
Doch lesende
Steigend über die Zeiten
Gleitende

Nacht

Eule
Sieht dich nicht
Fuchs
Riecht dich nicht
Das Knacken
Nur ein Ast der bricht
Auch ohne Licht
Entgeht dir nichts

Schlaf
Findet dich nicht
Ruhe
Erlöst dich nicht
Baumwollstoff
In deinen Körper sticht
Auch ohne Licht
Schläfst du nicht

Dein Haus
Dein Bett
Deine Zweifel
Dein Verdacht
Du fühlst wie ein Tier
Im Wald
In der Nacht

 

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